Die Pandemie verlangt von uns allen ein Höchstmaß an Disziplin und Klarheit, an Hoffnung und Weitsicht. Auch Führungskräfte unterliegen in dieser angespannten Zeit den Wechselbädern der Gegenwart. Selten zuvor hatten Menschen in Führung so nachhaltig intensiv mit der Doppelbelastung aus der Verbindung von privatem und beruflichem Stress zu kämpfen. Die Verantwortung für sich selbst und die Mitarbeiter am Arbeitsplatz ist enorm. Sie bedarf einer besonderen Würdigung.
Herausforderung: In der Führung souverän sein
Führungskräfte werden engagiert, weil sie eben nicht nur Schönwettersegler, sondern auch krisenerprobte Sturmfahrer sein müssen. Hochqualifizierte technische Expertise, souveräne Menschenführung mit Vision, Klarheit und Überzeugungskraft werden genauso verlangt wie einfühlsame, zielorientierte Mitarbeiterförderung- und das Fordern der Mitarbeiter. Fehler machen ist menschlich. Allerdings nicht für Führungskräfte. So könnte man das vielen Joberwartungen an Führung entnehmen.
Selbstverständlich sind Budgetvorgaben und Vereinbarungen nicht nur zu erfüllen. Sie sind gewohnheitsgemäß auch zumindest ein wenig zu übertreffen. Der Konkurrent sitzt im Nacken und könnte jederzeit zum Überholen ansetzen. Eine höchst explosive Gemengelage. Wer kümmert sich eigentlich um Führungskräfte in Not, in Zeiten, in denen die geschilderte „normale“ Überforderung nochmals getoppt wird? Eben in Situationen wie dieser Pandemie, in dem die Führungskraft nicht nur im Beruf, sondern auch in seinem privaten Umfeld ins Schlingern gerät?
Bonus: Erlaubnis, in der Führung Schwäche zu zeigen
Es ist keineswegs ein Zeichen von schwacher Führungsexpertise, wenn eine Führungskraft am oder über dem persönlichen Limit „strampelt“ und darüber redet. Frauen haben es hier im Regelfall besser als Männer. Männer sind oft mit Glaubenssätzen wie: „reiß di´zàm“, „da musst Du durch“, „ein Bub weint nicht“ etc. groß geworden. Männer zeigen keine Schwäche. Diese dürfen sie sich selbst gegenüber nicht eingestehen. Sie kämpfen, bis sie am Boden liegen. Wie verantwortungslos sich selbst und ihren Mitarbeitern gegenüber! Die Folgen könnten fatal sein. Frauen sind hier eher im Vorteil. Sie gehen im Regelfall deutlich offener, ehrlicher mit Phasen wie Schwäche, Krankheit, Unpässlichkeit an Leib und Seele um. Hier können Männer eine Menge lernen. Wenn sich die allgemeine Betriebskultur, gefördert von der Geschäftsleitung, dahingehend emanzipiert, dass ein Mensch in Führung, genauso wie jeder andere Betriebsangehörige, das Recht auf Schwäche hat, dann lassen sich auch Krisen resilienter für alle managen.
Erfordernis: Sparringpartner in der Führung
Selten genug stehen Arbeitsmediziner, Coaches oder auch Chef bzw. Chefin zur Seite, wenn’s der Führungskraft mal richtig dreckig geht. Es wäre wünschenswert, wenn, wie z. B.im Flugverkehr, ein Backup parat stehen würde, der im Krisenfalle nicht unbedingt gleich das Ruder übernehmen muss, sondern vor allem mit Empathie für die strauchelnde Führungskraft da ist. Am Boden, d. h. im Arbeitsleben wird erwartet, dass seelische oder körperliche Be-findlichkeiten möglichst diskret mit sich selbst ausgetragen werden.
Das etablierte System unserer Arbeitswelt appelliert an die ausgeprägte Resilienz der Führungskräfte, ohne Rücksicht auf eigene Verluste mit gewohntem Volldampf durch die Krise zu fahren. Dabei wird von der nächsthöheren Instanz allzu leicht übersehen, dass nur derjenige fehlerarme, gute Arbeit abliefert, der mit allen Sinnen und bei guter Gesundheit Höchstleistungen dauerhaft erbringen kann. Es muss ja nicht gleich ein Burn-Out oder eine andere seelische Erkrankung provoziert werden. „Vorbeugen ist besser als Bohren“ ist eine alte Weisheit der Zahnarztgilde. Viele reden von einer gewünschten, reduzierten Wochenarbeitszeit auf unter 35 Wochenstunden. Was für eine Ironie, wenn Führungskräfte statistisch oft die 50er Marke an Arbeitszeit pro Woche streifen oder übersteigen. Ein betriebsinterner oder externer Sparringpartner würde jeder hilfesuchenden Führungskraft in Krisenzeiten wie dieser Wege aus der Zwangslage aufzeigen helfen.
Option: In der Führung Angst durch Zuversicht ersetzen
Solange Führungskräfte um Gesichtsverlust, um Akzeptanz, um Anerkennung ihrer Leistung bangen müssen, weil sie gerade in einem Formtief sind, solange können Verstand und Psyche nicht in der Balance sein. Mit einem Sparringpartner an der Seite, mit mehr Offenheit im Umgang mit persönlichem Befinden, schaffen Führungskräfte mehr Authentizität. Sie zeigen sich als Menschen, nicht als funktionierende „Roboter“. Sie zeigen, dass sie verwundbar sind. So wie wir alle. Sie zeigen ferner ihren Mitarbeitern, dass auch diese Schwäche zeigen dürfen, damit sie rasch Hilfe in Anspruch nehmen und wieder zu Kräften kommen, um die eingeforderten Höchstleistungen alsbald wieder abzuliefern. Mens sana in corpore sano. Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.
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Über den Autor
Georg-W. Moeller ist Führungskräftecoach und Spezialist für Unternehmernachfolge. Seine Website: gwm coaching plus: Motivationscamp