Die Ukrainekrise hat uns, im friedlichen Westen unserer Hemisphäre, ziemlich aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Unvorstellbar, was nur zwei Flugstunden von Deutschland aus passiert. Im Hinblick nur auf die wirtschaftlichen Folgen können wir nur ahnen, welche Tsunamiwelle mit großen Landzeitschäden möglicherweise auf uns zurollt. Was bedeutet dies für Verantwortung tragende Führungskräfte unserer Gesellschaft in Verwaltung, Dienstleistung, Gesundheitswesen und Industrie? Kopf in den Sand: keine Option! Weglaufen: geht nicht! Es gilt, das Boot jetzt sturmresistent zu machen.
In der Krise: Schluss mit mit „weiter so“
Bislang konnten Führungskräfte, in Budgets und Langzeitperspektiven, auf eindrucksvollen Folien ihrem jeweiligen Unternehmen, ihrer Kundschaft, ihrem Patientenstamm etc. Prosperität präsentieren. Führungskräfte konnten bislang auch mit guter Kenntnis ihrer Expertise und des von ihnen vertretenen Unternehmens, Klinik, Verwaltung etc., eine Art Sicherheit in– wie extern vermitteln, dass die Dinge so weiter erfolgreich ihren Gang gehen würden. Für Führungskräfte selbst war ihr „Spiel“ ein überschaubares Szenario. Nun ist aber beinahe über Nacht „Schluss mit lustig“. Bislang waren es ferne, unbekannte Winde, die so ein wenig aufgrund der Halbleiterkrise das Boot zum Schaukeln brachten. Der Taifun bewegt sich nun auf unseren Kontinent zu
Neue Führungsverantwortung in der Krise
Dieser noch völlig unbekannte wirtschaftliche Wirbelsturm zwingt Führungskräfte zu völlig neuem Denken. Ein echtes Kapitänspatent ist gefragt. Sonnensegeln ist zunächst einmal vorbei. Noch bevor die Auswirkungen des nahenden Sturmes messbar werden, haben wir alle noch die Möglichkeit, unseren Kompass neu zu justieren, „die Schotten dicht zu holen“ (Bullaugen oder Fenster), die Technik zu überprüfen. Anstelle des „immer weiter, immer mehr und besser“, ist ein Krisenszenario der Plan.
Krise heißt nicht Untergang, Krise heißt auch nicht Aufgeben. Krise heißt Feststellung des Symptoms, im medizinischen Sinne eine Anamnese. Krise heißt für alle, die Verantwortung zu tragen, innezuhalten, vor allem ruhig und möglichst gelassen zu bleiben. Mit klarem Kopf ist die Zukunft angesichts des aufziehenden Taifuns zu organisieren. Vielleicht lässt uns dieser Sturm nachspüren, wie viel langfristig Gutes, Wertvolles, „Feinstoffliches“ wir durch diese radikale Veränderung erfassen lernen, sofern wir denn wollen. Wenn die Führungsebenen gemeinsam entdecken, dass das bislang Gewohnte in der Form auch so nicht weitergehen konnte (gesellschaftspolitisch, ökonomisch, ökologisch etc.), eröffnen sich für unsere, demoskopisch in Schieflage geratene, Gesellschaft völlig neue Denkmodelle.
Keiner auf dieser Welt sollte allerdings nunmehr davon ausgehen, dass sich angesichts der neuen Situation Patentrezepte aus dem Hut zaubern lassen. Die nähere Zukunft wird der langanhaltenden Nebelfahrt bei Flaute ähneln. Keiner weiß wirklich, wo es langgeht. Das schafft automatisch Unsicherheit, Zweifel, Sorge, Angst. Jetzt ist nicht die Zeit, qua officio „den dicken Max“ zu markieren, den Alleswisser raushängen zu lassen. Es ist Zeit, sich als „Mensch aus Fleisch und Blut mit allen Facetten der Verletzlichkeit“ zu zeigen. Das erwarten Mitarbeiter, vom Chef bis zum Pförtner, von einer talentierten Führungskraft. Es geht um Offenheit, Ehrlichkeit, Klarheit. Führungskräfte von großem Format malen nicht den Teufel an die Wand. Sie vermeiden aber auch Schönfärberei, schlappe Durchhalteparolen. Führungskräfte nennen in aller Offenheit die Unsicherheit aller beim Namen. Sie klären auf. Sie erklären sich und den Status Quo.
Wahre Führungsauthentizität zeigt sich in der Krise
Die Fakten gehören auf den Tisch und zu Ohren der anvertrauten Mitarbeiter SOWIE Kunden / Patientinnen. Ob ausbleibende Kabelbäume aus der Ukraine die Fertigung von Autos verzögern, ob Intensivstationen durch Covid, nebst Personalmangel, an die Grenzen ihrer Auslastung gelangen, ob gehackte Computersysteme in der Verwaltung alles lahmlegen – all dies muss sachlich, klar kommuniziert werden. Drumherum reden schafft Unsicherheit und Misstrauen. Klarheit ist Trumpf. Schwer planbare Entwicklungen in der Beschäftigungslage dürfen nicht verheimlicht oder runtergespielt werden. Einbrechende Absatzmärkte, neue Covid-Mutationen etc. müssen von den Führungskräften, mit all den gefühlten Unsicherheiten, schnörkellos den anvertrauten Mitarbeitern und Kunden mitgeteilt werden. Es lasten alle menschlichen Emotionen auch auf Top-Führungskräften. Sie dürfen daraus keinen Hehl machen. Sie dürfen sich sogar dazu bekennen, Angst und vorübergehende Planungslosigkeit zu haben. Das alles versteht jede Mitarbeiterin, jeder Kunde. Das schafft neue, bislang selten erlebte Souveränität und Authentizität.
Führungskraft, also positive Energie, in der Krise
Wenn den Mitarbeitern und Kunden so eingängig, verständlich die Haltung der Führungskraft vermittelt wird, wird sich neben nicht zu leugnender Angst vor Arbeitsplatzverlust und Einschränkungen („weniger als bisher“) die berechtigte Hoffnung und sogar Sicherheit einstellen, dass „man“ von den richtigen Führungskräften auch durch diesen Wirbelsturm navigiert wird und dass nach jedem Sturm die Crew auch wieder die Aussicht auf entspanntere Segelbedingungen bei günstigen Winden und breitem Sonnenschein hat.
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Über den Autor
Georg-W. Moeller ist Führungskräftecoach und Spezialist für Unternehmernachfolge. Seine Website: gwm coaching plus: Motivationscamp