Von allen Kirchtürmen der Republik wird geblasen, dass die Bildung des Volkes oberste Priorität für die erfolgreiche Bewältigung der Zukunft haben muss. Wie ist der Stand der Dinge heute und was muss sich ändern, um dieser Maxime auch tatsächlich gerecht zu werden? Verstehen wir eigentlich alle das Gleiche unter Bildung, oder ist hier eine Definition für alle von allen notwendig? Mit diesem Teil 2 vertiefender Blogbeiträge zu unserer Podcast-Reihe „Tür zur Zukunft“ setzen wir uns in die Tiefe hinein mit Rahmenbedingungen von Bildung auseinander.
Wann beginnt Bildung?
Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt mit Bildungsmaßnahmen zu beginnen? Ab wann ist das menschliche Gehirn aufnahmebereit, sich bildungsseitig formen zu lassen? Ab der Kita, dem Kindergarten oder gar erst mit der Einschulung? Die Meinung der Hirnforscher, hier sei Prof. Gerald Hüther als Gallionsfigur genannt, ist eindeutig. Die Neugier eines Kindes ist quasi von Anfang des Lebens an geweckt. Schrittweise giert das kleine Wesen nach Erkenntnissen, wie es im Leben zurechtkommen kann. Es freut sich, wenn es verstanden hat, sich von dem Bauch auf den Rücken zu drehen und zurück. Es strahlt, wenn es das erste Mal im Leben sich in den Stand gezogen hat und die ersten Schritte wagt.
Welchen Einfluss auf Bildung hat das Elternhaus?
Mit Beginn des Lebens startet der Mensch bereits eine Bildungsoffensive. Eine große Rolle spielen bei der Bildungsvermittlung die Eltern quasi als Mentoren oder Coaches. Das Zusammenspiel zwischen Mentoren und Kindern ebnet den Weg zur Lust auf lebenslanges Lernen. Eltern haben die Aufgabe, sowohl die kognitiven als auch die emotionalen Facetten der Bildung zu fördern. Mut machen, Loben, aktives Vorleben,
Begeistern können Eltern am besten. Wir Menschen wollen Neuland erkunden, lernen, wie Dinge funktionieren, verstehen, welche Rolle wir selbst innehaben und wie wir uns in unserer Umgebung positionieren wollen. Nehmen Eltern ihren Bildungsauftrag nicht konsequent wahr und überlassen ihre Kinder ihrem Bildungsschicksal, offenbaren sich beizeiten, ein Leben lang beeinflussende, Dissonanzen im Bildungskanon. Kinder werden vor dem Notebook, dem Handy geparkt, um den Eltern Verschnaufpausen zu gönnen.
Medien: Chance und Gefahrenquelle in Sachen Bildung
Medien nutzen diese Gelegenheit und begeistern Kindern, später Erwachsene, für die Nutzung ihrer Angebote, die nur äußerst begrenzt dem Anspruch auf Bildung gerecht werden. Hier bereits beginnt möglicherweise ein Teufelskreis, der nachhaltige Auswirkung auf die zukünftige Bildungsprägung nimmt. Werden dann Kinder wegen übertriebenen Medienkonsums von den Eltern mit Nörgeln und Schimpftiraden überschwemmt, verfestigt sich die Flucht der Kinder in ihre künstliche Welt.
Die ursprüngliche Neugier, die durch Vorlesen, Bauen mit Lego, Versenken in die eigene Phantasie angeregt würde, verkümmert zusehend. An dieser Stelle kommen den familienexternen Institutionen wie Kindergarten, Kita und Schulen Ersatzfunktionen zu, die solche Institutionen gar nicht ausreichend stemmen können. Erzieher und Lehrer sollen quasi retten, was in den Anfangszeiten der Bildungsoffensive verkümmert oder nur unterschwellig angelegt worden ist.
Wenn Bildung als Konsumgut missverstanden wird
Das Dilemma nimmt seinen Lauf, indem Kindern, Jugendlichen starre Bildungskonzepte der Vergangenheit vom Lehrpersonal eingetrichtert werden. Die ursprüngliche Neugier wird im Schulalltag zu selten geweckt und gefördert. Es werden fertige „Menüs“ serviert, die auf Gedeih und Verderb zu konsumieren sind. Bildung wird zu reinem Konsum degradiert. Für die individuelle Förderung und tiefere Ausprägung der Neugier ist zu wenig Raum. Die, die mit wachem Geist sich durch die Schule hangeln, haben dabei den Vorteil, systemrelevant den Anforderungen gerecht zu werden.
Menschen, die nicht von Klein auf permanent zur Lust auf Neugier angehalten worden sind, „schalten ab“ und lassen den Bildungsfilm an sich vorbeilaufen, ohne jedoch einen maximalen Ertrag aus der staatlich zur Verfügung gestellten Bildungsoffensive mitzunehmen. Kurz: Wer von Anfang an im Elternhaus auf wohlwollende, inspirierende, fördernde Eltern zurückschauen kann, hat deutlich größere Möglichkeiten, einen hohen Schulabschluss für sich zu vereinnahmen als die, die nicht von Hause aus gefördert wurden.
Das Pflänzchen Bildung will gehegt und gepflegt werden
Ist denn die schulische Karriere ausschlaggebend für eine maximale, optimale Bildungsmöglichkeit? Es wäre wünschenswert, derzeit aber kaum wahrnehmbar, dass das Schulsystem auch für die emotionale, die Herzensbildung, zuständig sein könnte. Zu beobachten ist leider recht häufig, dass in den Elternhäusern die elementar wichtige emotionale Bildung, Förderung und Wegweisung unterschätzt wird. Eltern sind durch Mehrfachbelastungen in Beruf, Haushalt und Gesellschaft am Rande ihrer Belastbarkeit, intensive Mentoren-Tätigkeit bei der Ausbildung der emotionalen Bildung ihrer Kinder auszuüben. Termine, Termine, Termine!!!
Eltern fallen als Bildungsmentoren oft aus
Durch diese Überbeanspruchung ist wahrnehmbar, dass in vielen Fällen Kinder sich selbst überlassen werden. Kinder haben dann zu wenig Perspektive auf achtsamen Umgang der Eltern mit sich selbst. Eltern fallen häufig als Motivatoren aus. Eltern setzen zu wenig wichtige Leitplanken, die Kindern einen Halt, eine Orientierung geben, wie Leben in einer Gesellschaft funktionieren soll. Wir sind nicht alleine auf diesem Planeten, sondern immer in irgendeinem Kontext mit anderen Menschen. Dieses Zusammenleben ist zum einen wichtig, sich selbst in der Gesellschaft zu positionieren. Zum anderen muss das junge Leben verstehen, dass Gemeinschaft auch in Bezug auf Bildung kolossal von Bedeutung ist.
Bildung ist ein Grundnahrungsmittel
Bildung ist für sich selbst verstanden wichtig und bringt „nach vorne“. Bildung als Motivator, gemeinsam mit anderen Menschen Neues zu entdecken, bringt zusätzliche Lust und Neugier, Bildung als „Grundnahrungsmittel“ zu begreifen. Ferner ist Bildung in der Gesellschaft auch ein Wettbewerbstool. Es liegt im gesunden Ehrgeiz des Menschen, sich messen zu wollen. Messen zu wollen mit anderen, mit denen man Gemeinsamkeiten erarbeiten will. Hierfür ist die emotionale Bildung ebenso wichtig wie die kognitive. Diese Kombination der Bildungsebenen lässt sich ebenfalls wieder in jungen Jahren am besten anlegen und fördern. Natürlich ist es nicht zu spät, wenn diese Förderung in der Schule vollzogen wird. Deutlich erfolgversprechender ist aber das Ergebnis dieser Förderung, wenn bereits im Elternhaus nachhaltig an diesem Projekt gearbeitet wird.
Bildung heißt lebenslanges Lernen: offen Sein für Neues
So wie das Leben im Fluss ist und ständig Überraschungen parat hat, so entscheidend ist auch die Erkenntnis, dass Bildung niemals endlich ist. Immer unter der Voraussetzung, dass die Neugier des Menschen die Triebfeder für Bildung ist, sollte die Erkenntnis reifen, dass Erkenntnisse, Ergebnisse aus einzelnen Bildungsschritten immer nur Etappenziele sind. Die Neurowissenschaften laden dazu ein (Prof. Gerald Hüther), selbst im hohen Alter die Neugier an Wissen, Bildung, immer wieder aufs Neue zu befriedigen, um genügend Hirnvitalität zu haben, um gesund und interessiert möglichst lang das Leben lebendig zu gestalten. Die intrinsische, d. h. die von sich ausgehende Neugier, Motivation, ist hier die entscheidende.
Extrinsische Motivation, also die Arbeitswelt, die Gesellschaft – alles, was von außen von uns erwartet wird – ist nur dann wirklich durchschlagend, wenn unser eigener Antrieb, die eigene Neugier, stets aktiv sind. Selbst hier kann leicht ein Rückgriff auf die Kindheit geübt werden. Eltern sind unnachahmliche Vorbilder. Wenn diese bis ins hohe Alter interessiert, neugierig und motiviert auf Weiterbildung sind, ist die „Ansteckungschance“ auf ihre Kinder oft gegeben. Leider ist natürlich auch das hieraus logische Gegenteil ebenso „ansteckend“.
Was nehmen wir mit? Die Chance für Bildung!
In Deutschland haben wir alle Mittel und Möglichkeiten, individuell und freiwillig ein Maximum an Bildung vorzuhalten und für uns wahrzunehmen. Nirgendwo auf der Welt ist die Chance auf Bildung so kostengünstig wie hierzulande. Diese Quellen können jederzeit von jedem angezapft werden, sofern das Bewusstsein auf Bildung bereits im Elternhaus geweckt und gefördert wird. Bildung kann nicht verordnet werden. Bildung steht zur Verfügung und will möglichst jedem zugänglich sein.
Teil 1 der Blogreihe „Tür zu Zukunft“: Umwelt
Bild von mohamed ramzee auf Pixabay
Über den Autor
Georg-W. Moeller ist Führungskräftecoach und Spezialist für Unternehmernachfolge. Seine Website: https://www.gwm-coaching.de/ plus: https://www.motivationscamp.de/