Gut gemeint, aber nicht gut gemacht? Oder noch nicht mal gut gemeint? Im komplexen Feld von Mitarbeitermotivation und -bindung, im so empfindlichen Verhältnis zwischen Führungsebenen und Mitarbeitern, sind Phrasen verräterisch, legen, im Regelfall ungewollt, offen, ob die beim ersten Hören so partizipativ anmutende Ansprache wirklich gut gemeint war. Oder ob sich dahinter nicht eine Attitude wenig würdigender Herablassung gegenüber dem bzw. den Adressaten verbirgt. In Teil 3 der Reihe „Sprache im Fokus“ nehmen wir Phrasen unter die Lupe, die Führungsebenen besonders gern in Veränderungsprozessen zur Mitarbeitermotivation nutzen.

 

Generöse Phrasen: Latentes Objektverständnis

Der Hoffnung zum Trotz, sie mögen dem Vergessen anheimfallen, sind generöse Phrasen zählebig. Im Unternehmen in Veränderungsprozessen überstrapaziert, ist der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin, die entwickelt, gefördert und abgeholt wird, ein anscheinend unverwüstliches Phänomen.

Die Phrase, jemanden da abzuholen, wo er steht

Schauen wir uns den Akt des Abholens an: „Wir müssen unsere Leute (dazu gleich noch) dort abholen, wo sie stehen“. Ja, wo denn sonst! Natürlich kann kein Mensch einen anderen an einem Ort abholen, an dem dieser sich aktuell nicht befindet. Kommt hinzu, dass mit dieser Formulierung eine Unselbständigkeit des Adressierten unterstellt wird, die eines Erwachsenen unwürdig ist. Gut, wir holen ein Kind im Kindergarten ab, spätestens in der Pubertät wird der oder die Heranwachsende sich gegen ein Abholen von der Schule energisch verwehren. Einen Erwachsenen holen wir mit dessen Einverständnis (oder als nette Überraschung) ab, etwa am Bahnhof, wenn der avisierte Besuch bereits Taxi oder Bus zum Zielort eingeplant hatte.
Mit dem „Abholen“ im Veränderungsprozess ergibt sich indes eine ungute Mischung aus pseudo-kurativem, das Gegenüber ins Infantile degradierendem, Gestus und einer manipulativen Richtungsweisung, wohin der oder die Abgeholte sich dann bitte nach dem Abholen bewegen möge. Nämlich im Sinne des von der Führung intendierten Veränderungsziels. Und wenn Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterin da nicht hinwollen?

Die „meine Leute motivieren und auf Trab bringen“-Phrase

Nun, sind es „meine / unsere Leute“ spricht das Possessivpronomen bereits Bände; wer eines Anderen Besitz ist, hat keine eigenen Vorstellung oder gar Ziele. Da liegt die ungute Assoziation zu vergangen geglaubten Formen von Klassenbewusstsein nahe, in welchem die „Herrschaften“ einer anderen, einer höherwertigen, Kaste angehörten als die dienstbaren Geister oder gar die Arbeiter auf dem Feld. Welche, in diesem Verständnis von oben und unten, der äußeren Anreize bedurften, etwa in Gestalt des Gehalts, um ihre Leistung zu verbessern – oder, wenn sie gar nicht spuren wollten, ähnlich dem sturen Reittier, auf Trab gebracht werden mussten.

Phrasen des Entwickelns und Förderns: Transaktionale Gaukelei

Womit wir beim Mitarbeiter, der Mitarbeiterin angelangt sind, die offenkundig so vielversprechende Anlagen zeigen, dass sie gefördert und entwickelt werden sollen; hier sind Führungskräfte in Mittelpositionen nicht minder, oft sogar in besonderem Maße, Objekt der zweckgebundenen Bestrebungen. Gefördert? Entwickelt? Gefördert werden Rohstoffe, entwickelt wird ein Produkt; beides Konnotationen, die den Menschen zum Objekt degradieren, ihm seinen Subjektstatus absprechen. Diese, dem transaktionalen Führungsstil zugehörige Haltung, habe ich bereits in diesem Beitrag thematisiert. Die der Begrifflichkeit innewohnende Degradierung des adressierten „Entwickelten“ zum Objekt mag dabei den handelnden Führungsebenen oft nicht bewusst sein.

Gefühlige Phrasen: Emotionen im manipulativen Kontext

Gehen wir von einer subjektbestimmten Entwicklung aus – sei es die individuelle Fort- und Weiterbildung oder das aktive Mitgestalten eines Veränderungsprozesses – ist Begeisterung für die Sache ganz sicher hilfreich. So ist denn nicht verwunderlich, dass die Phrase: „Wir müssen unsere Mitarbeiter begeistern“ sich großer Beliebtheit erfreut.  Was spricht dagegen, Beschäftigte zu begeistern? Etwa für Veränderungsziele. „In jemandem ein lebhaftes Interesse an einer Sache, einem Geschehen wecken“, definiert es „Oxford Languages“.
Ein hehres Ziel – nur dass im Unternehmenskontext das dem Verb innewohnende Substantiv „Geist“ nicht selten dem zu Begeisternden nur bedingt zugestanden wird. Im „Geist“ steckt eine Haltung, ein Bewusstsein, eine Autonomie im Denken und Handeln. Was, wenn der Mitarbeiter – „Geist“ sich aufmüpfig zeigt, das erstrebte Unternehmensziel infragestellt oder gar ablehnt? Das passt nicht ins Konzept der Begeisterungskommunikation, das auf die „Herde“ zielt, die sich wunschgemäß in eine bestimmte Richtung bewegen soll. Löcken einzelne „Geister“ wider den Stachel, sind die Lockrufer nicht selten ent-geistert, wenn sich Dinge anders als geplant entwickeln.

Die Bootsphrase: Zwischen Drohung und Verheißung

Und wenn nun der Unwille zur unternehmensseitig erstrebten Veränderung überwiegt? Dann kommt die durchaus ein wenig drohgebärdenartige Phrase des: „Wir sitzen doch alle im gleichen Boot“ zur Anwendung. Es wird ein gemeinsames Überstehen des Sturms oder eben ein gemeinsames Untergehen beschworen – worin das „Gleiche unter Gleichen“ mitschwingt. Ist das so? Sollte der Unternehmenstanker wirklich vom Untergang bedroht sein, ist es ein großer Unterschied, wer wo platziert, wer wie gesichert ist: Finanziell, in der weiteren (Karriere-) und Lebensplanung. Auf das Sprachbild des Boots übertragen, ist der Unterschied durchaus gewichtig, ob die Habenden im Boot Rettungsring, -weste, ggf. sogar noch kleines Beiboot dabei haben, in das sie sich bei drohendem Kentern retten können, die Habenichtse indes auf ihre bloße Körperkraft und ihr Durchhaltemögen in den Fluten angewiesen sind.
Gern wird die „Boot“-Phrase auch im Zusammenspiel mit Hoffnung, mit einem füreinander Einstehen im Kameradschaftsgestus, ins Spiel gebracht: „Wir holen Euch ins Boot“. Aber was heißt das beim genaueren Hinhorchen? Diejenigen, die bereits im Boot sitzen, wissen wo es langgeht; sie holen nun diejenigen, die noch hilflos draußen in den Fluten kämpfen, die es eben nicht aus eigener Kraft ins Veränderungsboot geschafft haben, generös mit ins Boot.

Phrasen verdeutlichen: Sprache schafft Wirklichkeit

Warum ist es so wichtig, für ein Miteinander in Würdigung des Gegenübers, sich ent-würdigender Phrasen bewusst zu werden? Weil Sprache Wirklichkeit schafft, wie es auch der Medienwissenschaftlerin Bernhard Pörksen in diesem Gespräch in vielfachen Variationen darlegt. „Sprache macht deutlich“, sagt Pörksen, „mit welcher Haltung man sich der Welt nähert….Geht es vor allem um Macht? …Oder ist man bereit, den anderen als legitimen Anderen zu sehen“. Wenn es im Unternehmen gelingt, im unaufhörlichen Entwicklungs- und Veränderungsprozess jeden Handelnden in seinem Subjektstatus, seinem legitimen Willen des Dafür oder Dagegen zu sehen, und sich damit auseinanderzusetzen – dann ist der Begriff der kulturellen Transformation wohl gerechtfertigt.

 

Beitragsbild: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay 

Teil 1 der Reihe „Sprache im Fokus“: Proaktiv kollaborieren?

Teil 2 der Reihe „Sprache im Fokus“: Globale Gaukeleien

Teil 4 der Reihe: „Sprache im Fokus“: Englisch-Deutsch – wie wir Sinn entstellen

 

 

Katharina Daniels: Kommunikationsberaterin und Publizistin

Über die Autorin
Die Autorin ist Inhaberin von „Daniels Kommunikation“ (Sprache macht den Menschen aus) und Mitgründerin der Verbundinitiative „authentisch-anders: Für eine wache Kultur in Unternehmen und Gesellschaft„. Unter dem Leitgedanken der kulturellen Innovation begleiten die authentisch-anders Mentoren, mit jeweils individueller Expertise und Perspektive, Unternehmen als Sparringspartner, Inspirations- und Feedbackgeber. Damit innovationsbereite Unternehmen mit einer zukunftsweisenden Kultur Impulse in die Gesellschaft senden. Mit einer Kultur, die Mitarbeiterautonomie, Selbst-Verantwortung und Sinnhaftigkeit verbindet. In der CSR, New Work und agiles Management mehr als Worthülsen sind. So setzen Sie als Unternehmen Akzente authentisch anders – bei Ihren Stakeholdern und in Ihr gesellschaftliches Umfeld hinein!